Müdigkeit im Morgengrauen.
Die Sonne verschwindet hinter einem Berg aus Perfektionismusschichten, Muss, Hätte, Sollte, die sich grollend über einander aufgetürmt haben.
Heiße Strahlen positiver Gedanken haben deine Haut über den Tag schon ganz aufgeraut und die letzten schwachen Produktivitätsappelle hallen in deinem Zimmer wieder und wieder. Endlich Dunkelheit. Spinat, Matcha und ein Spritzer Zitrone hinterlassen frische Farbtupfer in der Collage deiner Woche, durch die du fließt, um dich an das gestern zu erinnern. Augen schließen. Zwischen den weißen Laken und Dankbarkeitsträumen suchst du dich selbst, während du dich in den Schlaf wälzt. Jemand flüstert in die Nacht:
Ich bin die beste Version meiner selbst. Du schläfst schlaflos ein.
Ich speichere dein Lächeln in mir und verlinke es mit dem Geruch frisch gebackener Croissants, während der Tag schon mit 200 km/h an mir vorbeischießt. Frage mich, wieso nicht jeder Juni-Moment so zäh wie Honig aus dem Glas der Zeit fließt. Ich schraube das Glas zu und tippe auf Repeat.
Weiche Schönheit
Die weiche Schönheit des Nichtstuns kollidiert mit der harten Schönheit der Selbstoptimierungsideale unserer Generation, während ich die noch ungefilterten Erinnerungsfragmente in den schon etwas verstaubten Akten meines Gedächtnisses sortiere.
Ich weiß noch nicht, ob ich mich heute nach den glatten Konturen erhabener römischer Skulpturen oder den verspielten Pfaden verträumter englischer Gärten sehne. Ob ich mich im hohen Gras selbst versenke und meine Gedanken durch den Tag plätschern lasse oder Klimmzug für Klimmzug die Aufgaben meiner schon stählernen To Do Liste abarbeite. Und im Nachhinein die unerbittlichsten Tiefen der Gradationskurve nach oben ziehe und den Alltag erweiche, bis er samtig und porenlos vor meinen Augen dahinfließt.
Im besten Fall verschmelzen Disziplin und Schönheit. Manchmal passen die seelenmalerischen Momente aber auch nur in eine Espressotasse. Und vielleicht sollte man diese einfach mal genießen.
Langzeitbelichtung
Ein Lied jagt das nächste, verschwimmt in dem Rhythmus, den man Leben nennt, und die Sonne grüßt wieder am Horizont, obwohl doch gerade erst diese schmalen Linie zwischen Himmel und Erde den Tag verschluckte.
Zeit fließt, zerrinnt zwischen den Körpern, die sich tanzend durch die Playlist bewegen, von den 2000 ins jetzt und wieder zu den 80ern zurück, von weißt-du-noch zu kennst-du-schon zu vor-unserer-Zeit immer weiter bis irgendjemand das Licht ausschaltet.
Wenn man jetzt dem Morgen entgegenläuft, bleibt all das zersplitterte Erinnerung. Also knipse ich und beleuchte jeden Schritt, jeder Augenblick in Wirklichkeit ein Prozess, der sich von der Bar, über die Tanzfläche, zur Toilette und in unzähligen Kreisen durch den Raum zieht. In dem sich all das überlagert und alles gleichzeitig ist.
Mit den Fingern fahre ich die verschwommenen Drehungen im Raum nach und für einen Moment fühlt es sich an wie Unendlichkeit.