Man schaut sehnsüchtig in die Ferne. Verträumte Blicke Richtung Horizont. Vermissen. Sehnsucht nach etwas, das nicht greifbar ist. Unbekannt. Etwas, das noch nie zuvor die Haut berührt, die Augen gesehen, der Mund geschmeckt hat.
Fremde. Wir sehnen uns nach etwas, das weit weg liegt. Das erst nach Meilen zu erreichen ist. So eine Ahnung von fremden, paradiesischen Welten, die uns überkommt. Das Gefühl von fremdem Gewächs zwischen den Zehen. Frische Luft, die unsere lechzenden Lungen besser füllt.
Ferne. Wir kriechen aus unseren Höhlen und treffen sie dort, wo sie empfindlich ist. Wir wollen sie ganz, vollkommen, alles von ihr aufsaugen, schmecken, alle Kanten und Rundungen berühren und jeden Winkel, jede Zelle mit den Augen abtasten.
Kannibalen. Wir nehmen es auf mit Haut und Haaren, machen uns zu eigen, all das, was wir begehren. Preisen mit allen Sinnen. Eine tiefere Religion. Ein dunkler, ferner Schatz, den wir leidenschaftlich suchen. Er füllt den Mangel. Den ewig Unbekannten.
Danach – kategorisieren, einteilen, abwägen. Was nehmen wir mit unsere warmen vier Wände? Heimkehr. Ein wohliger Duft von warmen Öfen und weiten Wiesen.
Aber das Fremde lässt uns auch zittern. Das Blut in unseren Adern gefrieren und unsere Gesichter versteinern. Wir wittern Gefahr, scheuen uns, wenn es ein fremdes Bild zurückwirft. Wenn es ein Erkennen unmöglich macht. Hinterfragt. Umwirft. Verkehrt. Wenn das Fremde nicht mehr in der Ferne liegt, sondern an unseren Ufern weilt. Da, wo wir verletzlich sind, wo das Fremde unsere Spiegel zerbricht in viele kleine Scherben. Wo wir schutzlos sind, antastbar werden. Ein Erdbeben erschüttert unsere heilen Höhlen.
Wir hassen das Fremde. Es zerreißt unsere Ketten, die Einheit im Bild.
„Wenn du im Spiegel bist, wer ist dann ich? Und wenn du nicht ich bist, wer ist der im Spiegel?“
Wir begehren das Fremde dort, wo wir ihm vollkommen habhaft werden können – ohne das Kitzeln seines rauen Atems auf unserer dünnen Haut zu spüren.
„Ich will alles von dir, alles. Aber wie kann ich dich berühren, ohne, dass du mich berührst? Dich umarmen, ohne ein Teil von dir zu werden? Liebe ohne Liebe?“
Fremde. Fremde soll in der Ferne liegen. Weit weg. Denn wir sind Wanderer, Abenteurer, Entdecker. Das Fremde unser ersehnter Schatz, unser Besitz. Doch an unseren Ufern fischen wir raus, was merkwürdig glänzt, was sich nicht gehört, nicht gehört hierher. Hier nicht.
Sich selbst zurechtrücken, wie ein Bild, das schief hängt. Den Fuß auf den bezwungenen Felsen stellen. Mit den Fingern tasten, ohne es auf der Haut zu spüren. Illusion. Von Freiheit. Selbsterhaltung vielleicht. Macht bestimmt. Verzerrte Schönheit.